Heincke

2010 / 12 April

Von der Bildröhre zur OLED


 Professional Lighting Design Magazin, Ausgabe 66

 

Was haben OLeds mit alten Röhrenfernsehern gemeinsam? Die Frage erscheint paradox, doch beide technischen Errungenschaften sind die Innovation ihrer Zeit und spiegeln den “Paradigmenwechsel” ihrer jeweiligen Branche wieder. Während die Medienbranche nach der Verbreitung des Fernsehers als Massenmedium mit der Entwicklung des Internets bereits seinen zweiten Wandel erfahren hat, ergeben sich in der Lichtbranche durch die rasante Entwicklung der Halbleitertechnik gleich zwei Umbrüche innerhalb kürzester Zeit. Zuerst ist durch die LED eine nahezu ideale Punktlichtquelle entstanden und als nächstes wird die OLed den Weg für den “perfekten” Flächenstrahler ebnen. Ist es also Aberglaube, dass Philips innerhalb seiner ehemaligen Bildröhrenfabrik in Aachen eine neue OLed-Fertigung eingerichtet hat?

Gewiss hofft man auf eine ähnlich rasante Entwicklung, wie sie einst dem Fernseher widerfahren ist! Mit guten Ansätzen, denn in einem angrenzenden Gebäude wurde nun das Lumiblade Creative Lab eröffnet. Ziel des Kreativlabors ist es Fachleute mit unterschiedlichsten kreativen Hintergründen zusammenzubringen, um das Potential der OLed-Technologie zu erschließen. Für Leuchtenhersteller, Designer, Entwickler, Kreative und andere Partner soll hier ein Zentrum für den Gedankenaustausch und die Arbeit an konkreten Projekten entstehen.

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Die Gestaltung des neuen Kreativzentrums übernahmen Studenten der Bauhaus Universität Weimar in Zusammenarbeit mit Studenten der Art School London. Der Designprozess von der Ideenfindung bis hin zur Fertigstellung betrug lediglich sechs Wochen. Müde, doch zugleich glückliche Gesichter der Studenten waren daher bei der Eröffnung zu sehen. Die besondere Herausforderung bestand darin, aus einer Werkshalle der 50er Jahre ein modern anmutendes Tagungszentrum mit Lounge Bereich und einer Ausstellungsfläche für die bereits realisierten OLed Projekte zu erschaffen, in der das kreative Denken angeregt werden soll. Entstanden ist eine ganz in schwarz gehaltene Ausstellungshalle, die in ihrer puristischen Erscheinung das “rohe” Material der OLeds widerspiegelt und das Licht der Exponate besonders gut hervorhebt. Der angrenzende Lounge Bereich lädt ein zum Verweilen, Plaudern und Schmökern, denn eine kleine Bibliothek mit Designliteratur bietet erste Inspirationsmöglichkeiten. Zugleich werden in einer eigens angelegten Materialbibliothek und einer angrenzenden Werkstatt die Grundausstattungen für das Arbeiten mit dem neuen Material zur Verfügung gestellt. Ein Tagungsraum für Besprechungen und Vorträge ist ebenfalls vorhanden. Ein durchaus gelungenes Konzept!

Die OLed Fertigung ist laut Philips die produktivste im Bereich der Beleuchtungsindustrie. Hier werden einige hundert OLeds pro Schicht hergestellt, je nach Komplexität des Fertigungsverfahrens. Ob kreisförmig, oval, rechteckig, dreieckig oder hexagonal, alle Formen werden in verschiedenen Größen hergestellt, und auch verschiedene Freiformen können realisiert werden. Prinzipiell ist jede beliebige Form bis zu einer gewissen Größe und in theoretisch jeder beliebigen Farbe möglich. Die Leuchtdichte bei 2800 Kelvin Weißlicht erreicht schon stolze 3000 Candela pro Quadratmeter; die Lichtausbeute beträgt 23 Lumen pro Watt bei einem Farbwiedergabeindex von 80 und einer Lebensdauer von 10.000 Stunden. Doch ist in naher Zukunft schon mit ersten kommerziellen Anwendungen im Bereich der Allgemeinbeleuchtung zu rechnen?

Philips rechnet mit der Einführung erster Produkte in der Mitte bis Ende des nächsten Jahres, allerdings bei Anwendungen, wo geringere Beleuchtungsstärken gewünscht werden. Das Licht der OLed soll die Led-Beleuchtung dabei nur ergänzen und zunächst überall dort eingesetzt werden, wo sonst keine herkömmliche Beleuchtung Platz finden würde. Durch ihre flache Bauweise sind OLeds flexibel einsetzbar, denn sie kommen zudem auch ohne Kühlkörper und Sekundäroptiken aus. Stimmungsvolle Akzentbeleuchtung könnte also bald schon mit OLeds realisiert werden. Zuerst jedoch sind die hohen Fertigungskosten und die bedingte Abhängigkeit von Leuchtdichte und Lebensdauer zu bewältigen. Philips gibt die Steigerung der Effizienz und der technisch realisierbaren Größen mit einer Verdopplung aller zwei Jahre und die Verdopplung der Lebensdauer mit drei Jahren an. Bei zunehmender Leuchtdichte werden sich Sekundäroptiken zur Entblendung dann aber wohl auch nicht vermeiden lassen. Zunächst werden also künstlerische Projekte und individuelle Leuchten die gebräuchliche Anwendung für OLeds sein, weshalb die Strategie von Philips klar sein dürfte: Das Creative Lab soll dazu beitragen mit neuartigen OLed-Leuchten der Technologie zum Durchbruch zu verhelfen, um den Preis dafür langfristig senken zu können. Die ersten Produkte, die in Kooperation mit namhaften Designern entstanden sind, können im Showroom bereits begutachtet werden. Und das Licht, das sie erzeugen, ist beeindruckend! Bei einem Abstrahlwinkel von 180 Grad leuchtet die Fläche der OLed so homogen, wie man es sich nur wünschen könnte. Gleichzeitig ist das Licht sehr angenehm, weich und diffus. Durch den geringen Stromverbrauch können Leuchten mit sehr kleinen Vorschaltgeräten konzipiert werden, was ein besonders schlankes Design verspricht. Auch die Integration von Steuerelektronik und Sensortechnik zur Regelung der Lichtintensität (und zukünftig auch der Lichtfarbe) wird eine spannende Herausforderung sein. Alle Ideen und Konzepte sind willkommen und sie sollen im Creative Lab konkretisiert und wenn möglich auch realisiert werden!

Was ist denkbar für die Zukunft? OLeds lassen sich vielseitig einsetzen – als Leuchtmittel in Leuchten, als flächige Allgemeinbeleuchtung oder als farbwechselnde Akzentbeleuchtung, inklusive aller Visionen von selbstleuchtenden Tapeten, Flächen und Fenstern. Neben der Steigerung der Effizienz und Lebensdauer, gibt die Roadmap von Philips die variable Farbwiedergabe und die Transparenz als Ziel vor (3-5 Jahre). Kürzlich stellte Philips den ersten Prototypen einer OLed vor, der zum Anschluss an die Netzspannung geeignet ist. Ein vielversprechendes Konzept, das in drei bis fünf Jahren seine Marktreife erreicht haben soll. Etwas länger noch werden flexible OLeds auf sich warten lassen (5-10 Jahre).

Die Consumer-Branche ist da schon etwas weiter – es werden bereits farbige OLed-Displays in einigen Endgeräten, wie Handys, PDAs und Fernsehern verwendet. Auch Prototypen von flexiblen und transparenten Displays existieren schon. Kürzlich machte ein führender US Hersteller die Ankündigung von 50 Zoll OLed-Displays, die innerhalb von zwei Minuten „gedruckt“ werden können, bei einer Lebensdauer von 15 Jahren! Mit einem solchen Ausblick, ist zukünftig auch dieser Werkstoff in Architektur und Design denkbar. Man darf gespannt sein, denn nun sind Displays mit 3D Technologie der neue Trend in der Elektronikbranche. Der rasante Entwicklungszeitraum seit der Einführung erster Bildröhrenfernseher ist wirklich beeindruckend. Die Vorstellung, dass sich derart gewaltige Entwicklungsmöglichkeiten für OLeds ergeben ist durchaus berechtigt und verlockend. Denn sind sie tauglich für die Allgemeinbeleuchtung, können effizientere Konzepte zur Nutzung des Tageslichts entworfen werden, was nicht nur die Fähigkeiten eines Lichtdesigners fordert, sondern auch neue Anforderungen an die Gebäudeautomation stellen wird. Und auch Architekten, Innenarchitekten und Medienkünstler werden mit der OLed neue Möglichkeit haben, durch künstlerische Schöpfungskraft die Grenze zwischen Licht und Material zu verschieben.

Die Erwartungen sind hoch und die Herausforderung für die Industrie gewaltig – aber das war beim Röhrenfernseher genauso!

 

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